„Eins auf den Deckel geben“
Praxislizenz 6. Sitzungsbeispiel (20.Sitzung) vom 17.9.03
Gedächtnis- und Tonbandprotokoll
Klient berichtet nach den Sommerferien, es sei ihm mal besser und mal schlechter ergangen, insgesamt habe er aber den Eindruck, daß es aufwärts gehe.
Entspannungstext: Trance-Induktion
TH: Was kommt?
KL: Habe ein Bild entwickelt in einem Kaufhaus mit einem Stapel Töpfen. Der ist zusammengefallen, ich gehe durch, es klappert, es ist laut, die Töpfe wollen immer ihre Deckel heben, ich schlage mit Schlegeln drauf.
TH: Mit Wut oder mit Lust? (Grundstimmung testen.)
KL: Es ist beides.
TH: Wie finden die Töpfe denn das? (direkte Ansprache)
KL: Eine Stimme im Hintergrund befiehlt mir das.
TH: Welche Idee steckt denn dahinter? (Frage nicht direkt nach der Stimme. Ich will erreichen, daß sie sich erst einmal in einem hinteren Sicherheitsraum entwickeln kann.)
KL: Es ist meine Aufgabe, die Deckel drauf zu halten. Ich war auch mal so ein Topf in Reih und Glied. Die Stimme hat mich dazu „auserwählt“, auf die Töpfe aufzupassen. Jetzt habe ich eine Peitsche in der Hand und schlage und schlage. Ich schlage immer auf die Deckel, damit die nicht hochgehen. Jetzt sitze ich völlig erschöpft und zusammengesunken am Boden und weine, weil ich nicht mehr kann.
TH: War es das, was die Hintergrundstimme mit Ihnen vorhatte? Worum geht es ihr denn? (Muster erfragen.)
KL: Sie sagt, das sei sehr groß, das könnte mein Verstand noch nicht erfassen, da müsste ich noch warten. (Mein erstes Gefühl ist Abwehr gegen dieses un-durchsichtige Versprechen, daß mich an hilfoses Autoritätsgehabe von Eltern erinnert. Trotzdem:
TH: Vielleicht hat die Stimme wirklich etwas Grosses mit Ihnen vor? Vielleicht können Sie etwas von ihr lernen?
KL: erleichtert: Sie sagt, sie habe schon lange auf diese Frage gewartet.
TH: Was sagt sie denn zur Erfüllung Ihrer Aufgabe bei den Töpfen?
KL: Die Stimme schweigt sich aus.........
TH: Was sagen denn die Töpfe dazu? (Vielleicht komme ich so auf das Muster)
KL: Die sind sauer, weil ich einmal einer von ihnen war und nur, weil ich die Aufpasseraufgabe hatte, sie mit der Peitsche maltätiert und mich von ihnen abgesondert habe.
TH: Wie hätten sich die Töpfe denn verhalten, wenn sie das Angebot bekommen hätten, Aufpasser zu werden? (Aufrufen von weiteren Stimmen.)
KL: packt einen Topf am „Kragen“, schüttelt ihn und fragt: „Jetzt mal ehrlich, wie hättest denn du dich entschieden bei solch einem Angebot?“ Er antwortet für alle, daß er sich genauso entschieden hätte und daß er und die anderen alle neidisch waren, daß sie den Job nicht bekommen haben.
TH: Dann besteht für die Töpfe also kein Grund mehr, sauer zu sein? (Provokation.)
KL: Doch, irgendwo ist da noch was. Warum habe ich sie geschlagen?
TH: Sie haben lediglich wiederholt, was Sie kennengelernt haben: geschlagen zu werden? (Scheibchen ziehen.)
KL: Das leuchtet mir ein. Trotzdem bleibt das unangenehme Gefühl einer Schuld. Es fühlt sich einfach nicht sauber, nicht rund an. Ich bin rücksichtslos geworden, zur Sau geworden. Ich wollte die Töpfe im Keim ersticken. Spüre ein schlechtes Gewissen und unterm Rippenbogen ein flaues Gefühl.
Ab hier Einsatz der Lupe:
TH: Wie eine Verfehlung, Sie haben gefehlt? (Verstärkung)
KL: Ich habe Schuld auf mich geladen, war von allen guten Geistern verlassen. Habe das Gefühl, Buße tun zu müssen. Ich habe Dinge getan, die ich jetzt nicht mehr verstehe und nicht mehr wahrhaben will.
TH: Wem gegenüber in Ihrer Familie haben Sie gefehlt? Das erste, was Ihnen einfällt. (Direkte Ansprache, Scheibchen ziehen.)
KL: ...........
TH: Diese Töpfe: die stehen ja alle für niedergehaltene Stimmen in Ihrer Aussenwelt, (natürlich auch Innenwelt) in Ihrer Familie oder in Ihrer Herkunftsfamilie oder in Ihrem Freundeskreis, die Sie versucht haben, niederzuhalten. Die waren alber nicht niederzuhalten, die wollen nicht eingesperrt sein. (Gebe dem Klienten eine „Aussenansicht“ seiner Innenwelt.)
KL: Meine Tochter fällt mir jetzt siedendheiß ein, als sie kleiner war, daß ich sie in ihren Lebensäußerungen gebremst habe. Sie war ein ständiger Urwald und Vulkan und ich habe sie mit allen Mitteln niedergehalten. Weint erschüttert.
TH: Sagen Sie ihr das. (Herstellen eines direkten Kontaktes.)
KL: weinend: „Stefanie, es tut mir so leid, Ich kann jetzt sehen, wie ich dich niedergeknüppelt habe. Du musstest still sein, durftest nichts sagen.Ich hab´ bei dir soviel abgewürgt, deine ganze Energie und Lebhaftigkeit.“ Jetzt versuche ich das Gefühl wegzuatmen.......
TH: Was sagt sie dazu? (Klient soll in Kontakt mit seiner Tochterstimme bleiben.)
KL: weinend, klagend, lässt er seine Tochter sprechen: „Na endlich, na endlich kommt mal was. Endlich kannst Du mal sehen, was Du alles gemacht hast!
TH: Was will sie von Ihnen? Endlich gesehen werden? (Will eine Vorwärtshandlung einleiten, die Zeit drängt.)
KL: Sie sagt: „Es fällt Dir offensichtlich sehr schwer, anzuerkennen, daß es mir so schlecht geht. Du warst wie ein Berserker. Du wolltest alles nur unten halten, dicht machen, zu halten, kein Pieps mehr, nichts mehr.“
Anklagend: „Das hat so weh getan. Es tut heute noch so weh. Ich leide heute noch!“
TH: Woher kennen Sie das: kein Pieps mehr? (Will in in die noch tiefere Ebene seiner Kindheit.)
KL: Kann mit dem Reiz momentan nichts anfangen, spricht bewegt an seine Tochter weiter: „Es tut mir so unendlich leid, ich weiß nicht, ob ich das je wieder gut machen kann, Stefanie. Ich möchte Dir gerne helfen, daß es erträglich wird, daß du da wieder rauskommst. Ich möchte alles dafür tun. Sie antwortet: „Es tut gut, das zu hören.“
Ich möchte sie nehmen und an mich drücken, sie in den Arm nehmen.
Jetzt kommt wieder die Realität: das geht nicht, sie braucht einen oder zwei Meter Abstand von mir. Körperliche Nähe geht nicht, sie hat da Horror, weicht vor mir zurück.
TH: Aha, ein umgekehrtes Maß für die Anziehungskraft, die zwischen Ihnen besteht. (Weise ihn auf die entgegengerichtete Achse dieses Themas hin.)
KL: Möchte noch sagen, daß ich bei der Erziehung unserer Kinder oft den schlechten Elternteil bekam und meine Frau den guten – ohne jetzt meinen Teil abtun zu wollen.
TH: Diese Rollenaufteilung ist bei Ehepaaren bekannt. (Will jetzt nicht in das Thema „Elternkonflikt“ einsteigen.) Was brauchen Sie, was braucht Ihre Tochter?
KL: Stefanie antwortet: „Es gibt mir Kraft, daß Du nicht mehr leugnest, daß Du hin und wieder völlig daneben warst.“ (Musterkippung.)
KL: Verzeih mir, daß ich nicht der Vater war, den Du brauchtest, ich habe keine Erklärung dafür, was da lief. Hatte mir alles anders vorgestellt, ich konnte es nicht bremsen. Du hast so viele Dinge in mir ausgelöst, ich konnte es nicht aushalten, Dich nicht aushalten.
Stefanie schaut zu Boden und geht langsam weg. Klient verlässt Kontakt mit seiner Tochterstimme, die es nicht aushält, nicht ausgehalten zu werden. Er berichtet, daß er sich jetzt wie ein Peitscher vorkommt, völlig fertig ist und weinend am Boden sitzt. (s.a. als Peitscher der Topfdeckel.)
TH: Jetzt geht es drum, den Hintergrund dieser Entwicklungzu erkennen. Haben Sie noch Zeit, die Sitzung zu verlängern?
KL: Nein, ich habe nachher einen Termin. Ich möchte aber noch einmal mit der Grossen Stimme sprechen: „Bitte hilf mir, dich zu hören, dich zu erkennen.“
TH: Was antwortet sie?
KL: .....................
TH: Vielleicht geht es ja über einen Traum? Auch da können Antworten kommen.
Noch einmal zuStefanie: In dem Moment, wo Sie und sie jetzt dieses Beziehungsmuster erkannt haben, ist auch Abhlife möglich. Das wichtigste heute war, daß Sie den Hintergrund der unterdrückten Beziehung zu Ihrer Tochter erkannt haben. Wo der wieder herkommt, können wir in der nächsten Sitzung anschauen. (Abmachung treffen.) Suchen Sie sich einen Platz in Ihrer Innenwelt zum Zurückkommen.
Ergebnis: In dieser Sitzung war es dem Klienten möglich, die „Wirkung seiner Muster in der Aussenwelt“ zu erleben. Er erhielt sozusagen eine „Aussenansicht“ seiner Innenwelt anhand seiner Familie. Es tat mir zwar leid, daß er jetzt mit dem „schwarzen Peter“ in der Tasche nach der Sitzung nach Hause ging. Aber er war es, der das Gefühl von Verfehlung, von Buße in sich gespürt hatte, so daß ich dieser Energie zur Musterkippung Raum gab. Zur Klärung seines Hintergrundmusters war es in dieser Sitzung allerdings nicht gekommen.
In der Folgesitzung berichtet der Klient jedoch, daß er sich aktiver fühlt, zielorientierter, besser einen Gesprächsverlauf steuert, Sachen aktiv in die Hand nimmt. „Ich kann schneller über meinen Schatten springen“ drückte er dies aus.
Im Laufe der Woche konnte er in einem Gespräch mit seiner Tochter sie sogar beraten, was angesichts des gespanntenVerhältnisses, in dem er sich zu ihr befindet, doch erstaunlich sei.
Er habe den Eindruck, daß neue Sichtweisen Raum greifen würden und zwar ohne daß er sie absichtlich herbeiführe – es geschehe eher unbewußt und fließend, was auf organische Neuorganisation seiner neuronalen Struktur schließen lässt. (Juchhu, Synergetik funktioniert.)